Sehr zu empfehlen:
Matthias Unterwegs, Ohne Obdach. Leben auf der Straße.
Engelsdorfer Verlag Leipzig 2016, ISBN 978-3-96008-433-4
Matthais Unterwegs (Pseudonym) hat sich hat sich freiwillig in das Experiment begeben, zwei Monate lang als Obdachloser durch's Land zu ziehen, zum Teil in Deutschland und zum anderen Teil in Frankreich. Er probierte dabei aus, nach dem Grundsatz zu leben, dass Gott ihm für jeden Tag das Nötige geben wird. Mit nur einem 20 Euro-Schein ging er von zu Hause los und hatte damit gleich das erste Problem. Er verdiente sich in der Folgezeit durch Mundharmonikaspiel, was er benötigt, und wenn er abends noch mehr hatte, als er an diesem Tag brauchte, dann verschenkte er es an andere Obdachlose. Er probierte sämtliche Hilfsmöglichkeiten unterwegs aus, besuchte Kirchen, um einen Ort der Ruhe zu finden, fand sie verschlossen vor, erlebte dort Ablehnung oder Vertreibung, aber auch Aufnahme. Dass er selbst Pfarrer ist, der ausprobieren wollte, wie es ist, auf der anderen Seite zu stehen, der Bittende, der Bedürftige zu sein, ahnte niemand seiner Gesprächspartner. Er erlebte Konkurrenz unter den Obdachlosen, den Kampf um gute Schlafplätze, aber auch Solidarität. Dem einen sieht man sein Elend an, anderen nicht. Die unterschiedlichsten Lebensgeschichten begegneten ihm, dazu die verschiedensten Typen von Helfern. Auffallend war ihm, dass bei den französischen Hilfsorganisationen mehr Männer ehrenamtlich tätig sind als in Deutschland, was wohl an dem früheren Rentenalter liegt. Matthias Unterwegs schildert vor allem aber auch die eigenen Gefühle, beobachtete sich selbst, seine Ängste, die Versuchungen, den eigenen Grundsätzen untreu zu werden, die Wichtigkeit des Kontakts zu seiner Familie, auch wieder jederzeit zurück zu können.
Als Pfarrer auf Augenhöhe mit den Menschen ganz unten in der Gesellschaft und im eigenen Leben macht er wunderbare Erfahrungen wie die an seinem Geburtstag, an dem er unerwartete „Geschenke“ erhält. Es ist ein Glaubensbuch, das ein Leben im Vertrauen auf die tägliche Bewahrung durch Gott beschreibt und zugleich ein sehr kritisches Buch im Blick auf caritative Arbeit und Offenheit von christlichen Gemeinden und Kirchengebäuden bzw. den dafür Verantwortlichen. Es macht Mut, nicht nur Obdachlosen wirklich auf Augenhöhe zu begegnen, sondern auch die eigene Institution, kritisch zu befragen. Ein Dank gilt auch für die wichtigen Informationen im Sachteil des Büchleins.
8. Januar 2017 Dr. Katharina Dang